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Filesharing: Uneinheitliche Rechtsprechung der Gerichte
Nach wie vor werden zahlreiche Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen in Tauschbörsen ausgesprochen. Allerdings gelangen im Vergleich mit den Anfangsjahren nun auch mehr Verfahren vor Gericht, so dass das Vorgehen nach Erhalt einer Abmahnung jeweils genau überlegt werden muss. Erhebliche Schwierigkeiten bestehen hier vor allem deswegen, weil die Rechtsprechung der einzelnen Gerichte in Deutschland alles andere als einheitlich ist.
Im Rahmen unserer Beratungen stellen wir immer wieder fest, dass es insbesondere seit der Entscheidung des BGH, Urteil vom 08.01.2014, I ZR 169/12 – Bearshare – die Tendenz gibt, Abmahnungen auf die leichte Schulter zu nehmen. Mit dem Urteil hat der BGH entschieden, dass zwar grundsätzlich eine Vermutung dafür spricht, dass der Anschlussinhaber für die über seinen Internetanschluss begangenen Rechtsverletzungen verantwortlich ist, gleichzeitig eine solche Vermutung dann aber nicht besteht, wenn der Internetanschluss bewusst weiteren Personen zur Nutzung überlassen wurde. Dieser Teil der Entscheidung ist mittlerweile vielen Betroffenen bekannt. Gerne wird dabei aber übersehen, dass der BGH in der Entscheidung auch davon ausgeht, dass den abgemahnten Anschlussinhaber zumutbare Nachforschungspflichten treffen. Die Rechtslage ist vor diesem Hintergrund zwar etwas günstiger geworden, trotzdem besteht in vielen Bereichen nach wie vor Streit. Das liegt insbesondere darin, weil vergleichbare Sachverhalte von einzelnen Gerichten in Deutschland völlig konträr entschieden werden.
1. Sekundäre Darlegungslast
Der Ausgangspunkt in allen gerichtlichen Verfahren ist nach wie vor, dass der Anschlussinhaber zunächst für die über seinen Internetanschluss begangenen Rechtsverletzungen verantwortlich sein soll. Er muss sich sodann entlasten, um diese Vermutung zu entkräften. Es reicht insoweit nicht aus, die Rechtsverletzung einfach zu bestreiten, sondern der Anschlussinhaber hat eine sekundäre Darlegungslast dergestalt, dass er sich substantiiert verteidigen muss. Trotz der Entscheidung des BGH ist aber nicht klar, welcher Vortrag hierfür ausreichend ist.
Nach der Entscheidung des BGH ist es insoweit nahe liegend, dass der sekundären Darlegungslast bereits dann genügt ist, wenn sich aus dem Vortrag des Anschlussinhabers ergibt, dass weitere Personen den Internetanschluss nutzen konnten. Tatsächlich sehen mittlerweile die meisten Amtsgerichte in Deutschland diesen Vortrag als ausreichend an mit der Folge, dass sodann der jeweilige Rechteinhaber eine Verantwortlichkeit für die vorgeworfene Urheberrechtsverletzung nachweisen muss. Das gilt aber nicht uneingeschränkt: die Münchner Rechtsprechung etwa steht in völligem Widerspruch zu der Entscheidung des BGH und sieht den Verweis auf die Nutzungsmöglichkeit dritter Personen zum Verletzungszeitpunkt nicht als ausreichend an, um die sekundäre Darlegungslast zu erfüllen. Zwar hat kürzlich das AG München, Urteil vom 31.10.2014, Az. 264 C 23409/13, genau diesen Vortrag (Nutzung des Anschlusses im Rahmen des Familienverbunds) als ausreichend erachtet, um die sekundäre Darlegungslast zu erfüllen. Es ist aber wohl davon auszugehen, dass – sollte das Verfahren in der Berufung landen – die Entscheidung aufgehoben wird. Denn das LG München beurteilt solche Konstellationen trotz der BearShare-Entscheidung genau gegenteilig (vgl. z.B. LG München I, Urteil vom 18.06.2014, Az. 21 S 21851/13). Diese Rechtsprechung steht nicht nur im Widerspruch zu der Entscheidung des BGH, sondern wird in dieser Form auch nicht von anderen Landgerichten in Deutschland getragen. So hat zum Beispiel das LG Hamburg mit Beschluss vom 28.10.2014, Az. 310 S 9/14, in einer vergleichbaren Konstellation die Berufung zurückgewiesen. Das Landgericht folgt hier der Rechtsprechung des BGH geht davon aus, dass der Anschlussinhaber seine sekundären Darlegungslast dadurch genügt, dass er vorträgt ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu seinen Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. Hervorzuheben ist dabei, dass das Landgericht Hamburg den Anschlussinhaber nicht als verpflichtet ansieht, einen konkreten Täter zu benennen. Der Anschlussinhaber hat vielmehr nur diejenigen Personen zu benennen, die selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. Im Rahmen der Nachforschungspflicht ist der Anschlussinhaber auch verpflichtet, die in Betracht kommenden Personen nach der Rechtsverletzung zu befragen und deren Antwort zu referieren.
Aber auch Einzelfragen werden von den Gerichten unterschiedlich beurteilt. So sah z.B. das AG Braunschweig, Urteil vom 27.08.2014, Az. 117 C 1049/14, den Vortrag einer Sicherheitslücke im Router als ausreichend an, um die sekundäre Darlegungslast zu erfüllen. Das Gericht hielt es hier für möglich, dass sich unbefugte Dritte über die Sicherheitslücke des Routers Zugang zu dem Internetanschluss des beklagten Anschlussinhabers verschafft und die Verletzungshandlungen begangen haben. Dementsprechend hat das Gericht die Klage abgewiesen. Umgekehrt hat das AG München, Urteil vom 19.09.2014, Az. 111 C 25920/13, einen solchen Sachverhalt beurteilt. Der bloße Verweis auf eine potentielle Sicherheitslücke lässt für sich genommen keinen Schluss auf die Täterschaft eines unbekannten Dritten zu.
2. Verjährung
Ein weiterer Streitpunkt sind Fragen der Verjährung der Zahlungsansprüche. Eine Entscheidung durch den BGH steht hier noch aus. Derzeit ist in höchstem Maße umstritten, in welchem Zeitraum (3 oder 10 Jahre) die Zahlungsansprüche verjähren. Von Relevanz ist diese Frage aus mehreren Gründen: eine Verjährungsfrist von zehn Jahren kommt nur hinsichtlich der mit einer Abmahnung geltend gemachten Schadensersatzansprüche in Betracht. Die anwaltlichen Erstattungskosten hingegen unterfallen der dreijährigen Verjährungsfrist. In mehreren Verfahren haben wir aber schon zur Kenntnis nehmen müssen, dass vereinzelt auch die anwaltlichen Erstattungskosten als Bestandteil des Schadenersatzes behandelt wurden. Dementsprechend ist es von erhöhter Bedeutung, binnen welchem Zeitraum die Verjährung eintritt.
Das LG Düsseldorf, Urteil vom 31.10.2012, Az. 12 O 405/11, geht beispielsweise von einer 10-jährigen Verjährungsfrist aus. Auch das AG Itzehoe hat kürzlich entschieden, dass Ansprüche aus Urheberrechtsverletzungen durch Filesharing erst nach 10 Jahren verjähren (AG Itzehoe, Urteil vom 22.10.2014, Az. 92 C 64/14).
Andere Amtsgerichte gehen indessen nur von 3 Jahren Verjährungsfrist aus (z.B. AG Bielefeld, Urteil vom 06.03.2014, Az. 42 C 368/13, AG Kassel, Urteil vom 24.07.2014, Az. 410 C 625/14, AG Düsseldorf Urteil vom 24.07.2014, Az. 57 C 15659/13).
3. Schadenersatz
Ein weiterer Streitpunkt ist der Umfang des Schadenersatzes. Bei Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen durch die illegale Verbreitung von Werken in Tauschbörsen wird der Schadenersatz üblicherweise nach der so genannten Lizenzanalogie berechnet. Das bedeutet: es wird gefragt, welchen Lizenzbetrag die Parteien vereinbart hätten, wenn ein Recht zur Verbreitung des betreffenden Werks mittels einer Tauschbörse übertragen worden wäre. Dieser Lizenzbetrag stellt sodann den Schadenersatz dar, den der Rechteinhaber einfordern kann. Tatsächlich werden derartige Lizenzen nicht vergeben, aus rechtlichen Gründen ist dies aber unerheblich. Weil aber derartige Lizenzen nicht vergeben werden, gibt es auch keinerlei „Lizenztabellen“, an denen eine Orientierung erfolgen könnte. Mit anderen Worten: mit der entsprechenden Argumentation lässt sich derzeit nahezu jeder Schadenersatzbetrag vertreten.
So liegt uns zum Beispiel ein Hinweisbeschluss des AG Köln vor, in dem das Gericht davon ausgeht, dass bei Filmwerken höchstens ein Schadenersatz in Höhe von 50,- Euro geltend gemacht werden kann. Andere Gerichte erachten bei Filmwerken hingegen einen Betrag von 600,- Euro als angemessen (u.a. AG München, 14.10.2014, Az. 261 C23804/13, AG Amberg, 25.08.2014, Az. 2 C 531/14, AG Frankenthal, 15.09.2014, Az. 3b C 273/14, AG Koblenz, 04.09.2014, Az. 152 C 1290/14).
Ebenso verhält es sich bei Musiktiteln: das AG Köln hat mit Urteil vom 10.03.2014, Az. 125 C 495/13 in Abkehr zu früherer Rechtsprechung nicht 100,- Euro Schadenersatz, sondern lediglich 10,- Euro als angemessen betrachtet. Das LG Hamburg hatte in seinem Urteil vom 08.10.2010, Az. 308 O 710/09 bei einem wenig gefragten Titel 15,- Euro als angemessen erachtet, das AG Hamburg hingegen ging in seinem Urteil vom 27.06.2011, Az. 36a C 172/10, von einem Betrag von 150,- Euro aus. Das LG Düsseldorf sprach mit Urteil vom 09.02.2011, Az. 12 O 68/10, sogar einen Betrag von 300,- Euro zu. Deutlich aktueller sprach das AG Düsseldorf, Urteil vom 03.06.2014, Az. 57 C 3122/13, hingegen nur einen Betrag von rund 20,- Euro zu.
Auch das LG Bochum hat kürzlich mitgeteilt, dass es höhere Schadenersatzbeträge billigen würde und dabei pauschal 100,- Euro für Musiktitel, 600,- Euro für Filmwerke und 1.000,- Euro für Computerspiele als angemessen bezeichnet.
Daneben spielt es auch noch eine Rolle, um welche Art von Film es sich handelt: das AG Hamburg beispielsweise hat mit Urteil vom 20.12.2013, Az. 36a C 134/13, entschieden, dass die rechtswidrige Verbreitung eines Pornofilms in einer Tauschbörse lediglich einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 100,- Euro zu Folge hat.
Zusammenfassung
Dieser Beitrag weist nur auf einige wenige Entscheidungen hin, die jedoch recht gut verdeutlichen, dass die Rechtslage im Bereich Filesharing alles andere als geklärt ist. Die richtige Gegenwehr gegen eine Abmahnung setzt also nicht nur grundsätzliche Rechtskenntnisse voraus, sondern erfordert vielmehr, dass die Rechtsprechung der einzelnen Gerichte in Deutschland im Blick gehalten wird. Die derzeitige Situation jedenfalls erschwert nicht nur die anwaltliche Beratungspraxis, sondern führt auch zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit. Insbesondere dann, wenn ein Verfahren tatsächlich ins gerichtliche Stadium gelangt, ist eine anwaltliche Vertretung unbedingt erforderlich. Anders lautende Ratschläge müssen in diesem Zusammenhang schlicht als unseriös und hoch riskant bezeichnet werden.