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„Abmahnung“ durch Rechtsanwalt Kilian Lenard für Martin Ismail – Interessengemeinschaft Datenschutz wegen Google Fonts
In den letzten Tagen sind in unserer Kanzlei mehrere Anfragen eingegangen, die sich auf „Abmahnschreiben“ wegen eines Datenschutzverstoßes durch die Nutzung von Google Fonts beziehen. Die vorgelegten Schreiben stammen dabei von dem Rechtsanwalt Kilian Lenard, der nach den Angaben in dem Schreiben einen Herrn Martin Ismail vertritt. Dieser soll „Teil der Interessensgemeinschaft Datenschutz; kurz: IG Datenschutz“ sein, weitergehende Angaben hierzu enthält das Schreiben nicht.
In dem Schreiben wird die datenschutzwidrige Nutzung von Google Fonts moniert, woraus sich ein Datenschutzverstoß ergeben würde. Aufgrund des Datenschutzverstoßes würde sich mithin ein Unterlassungsanspruch ergeben. Der Unterlassungsanspruch wird jedoch dem ersten Anschein nach nicht geltend gemacht, so dass formal betrachtet keine Abmahnung vorliegt. Stattdessen werden die Empfänger der Schreiben aufgefordert, aufgrund des Datenschutzverstoßes ein Schmerzensgeld in Höhe von 170,00 Euro auszugleichen, um alle Ansprüche aus der Sache zu erledigen.
Rechtslage
Bei der Nutzung von Google Fonts kommen zwei verschiedene Wege in Betracht: möglich ist zunächst die statische Variante, bei der die gewünschte Schriftart auf den eigenen Server hochgeladen und sodann lokal in die eigene Webseite eingebunden wird. Bei Aufruf der Internetseite durch einen Nutzer werden in diesem Fall keine Daten an Google übertragen, so dass kein Datenschutzverstoß droht. Anders hingegen die dynamische Variante: hier erfolgt die Einbindung der Schriftart nicht über den eigenen Server, sondern durch ein Code-Snippet im HTML-Code der Webseite. Wird die Internetseite nunmehr aufgerufen, so wird eine Verbindung zu den Google-Servern aufgebaut, wobei sodann zumindest die IP-Adresse des Seitenbesuchers an Google übertragen wird. Erfolgt diese Datenübertragung ohne vorherige Einwilligung des Nutzers, so kann hierin ein Datenschutzverstoß liegen. Das LG München, Urteil vom 20.01.2022, Az. 3 O 17493/20, hat in einem solchen Fall einen Anspruch auf Unterlassung und Schadenersatz zugesprochen.
Folgen für die Praxis
Unter anderem bedingt durch die genannte Entscheidung des LG München kam es zuletzt häufiger dazu, dass „Abmahnungen“ an Webseitenbetreiber gesendet wurden und ein Datenschutzverstoß durch die dynamische Einbindung von Google Fonts geltend gemacht wurde. Derartige Schreiben gibt es in unterschiedlicher Formulierung, zum Teil werden (auch) Unterlassungsansprüche geltend gemacht und die Abgabe einer Unterlassungserklärung gefordert, in jedem Fall aber wird von dem von dem Datenschutzverstoß betroffenen Nutzer Schadenersatz bzw. Schmerzensgeld verlangt.
Auch wenn das Bestehen der Ansprüche auf den ersten Blick als möglich erscheint, sollten Betroffene die Ansprüche keinesfalls vorschnell erfüllen.
In tatsächlicher Hinsicht ist den betroffenen Webseitenbetreibern zwar zunächst anzuraten, dass die eigene Internetseite rechtskonform gestaltet wird – also entweder eine statische Einbindung der Schriftarten erfolgt oder eine vorherige Einwilligung durch den Nutzer eingeholt wird.
Ob allerdings die behaupteten Ansprüche und insbesondere ein Anspruch auf Schadenersatz / Schmerzensgeld bestehen, wird in vielen Fällen nicht eindeutig zu beurteilen sein. Richtig ist zunächst: die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) dient dem Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Verkehr solcher Daten. Die DSGVO sieht daher auch Ansprüche auf Schadenersatz vor, wenn es zu einem Datenschutzverstoß gekommen ist.
Allerdings ist auch klar, dass die gesetzlichen Regelungen nicht zum bloßen Selbstzweck verkommen und nicht ganz offensichtlich rechtsmissbräuchlich genutzt werden sollen, indem sich vermeintlich Geschädigte hier eine Einnahmequelle durch das massenhafte Versenden von „Abmahnungen“ schaffen. In den allermeisten Fällen bestehen daher derzeit erhebliche Zweifel, insbesondere, wenn Ansprüche wie oben beschrieben in großem Umfang erhoben werden, ob nicht ein Rechtsmissbrauch vorliegen könnte.
Konkret: „Abmahnung“ durch Rechtsanwalt Kilian Lenard für Martin Ismail, Interessengemeinschaft Datenschutz
Die konkreten „Abmahnschreiben“ des Rechtsanwalts Kilian Lenard für Herrn für Martin Ismail, Interessengemeinschaft Datenschutz, werfen derzeit mehrere Fragen auf. Sowohl anhand in unserer Kanzlei eingegangener Mandatsanfragen wie auch der Rücksprache mit Kollegen ist bekannt, dass offenbar in großer Zahl vergleichbare Schreiben an eine Vielzahl von Webseitenbetreibern gegangen sind. Auch wenn der bloße Umfang allein noch kein Beweis dafür ist, wonach es sich vorliegend um einen Rechtsmissbrauch handeln könnte, liegt die Vermutung nahe, dass es vorliegend vor allem um die schnelle Durchsetzung von Zahlungsansprüchen geht.
Angesichts des Umstands, dass dem Schreiben keine Vollmacht beigefügt ist, ferner nähere Angaben zu dem Anspruchssteller Herrn Martin Ismail oder auch der Interessengemeinschaft Datenschutz fehlen, muss der Sachverhalt derzeit als in Teilen unklar bezeichnet werden. Unklar ist ferner, ob es tatsächlich bei der Geltendmachung von Zahlungsansprüchen bleiben soll oder ob die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs droht.
UPDATE/ Ergänzung vom 19.10.2022: Zwischenzeitlich berichten einige Betroffene davon, dass den Abmahnschreiben nun doch eine Vollmacht beigefügt wird. Möglicherweise ist hier eine „zweite Welle“ an Abmahnschreiben generiert worden, wobei nun auf die in vielen Berichten im Internet geäußerte Kritik eingegangen wird. So gibt es nun auch eine Internetseite der IG Datenschutz (https://igdatenschutz.de), bei deren Aufruf der hervorgehobene Text „Aus aktuellem Anlass“ ins Auge sticht. Auf den Verfasser dieses Beitrags wirkt nicht nur die Anpassung der „Abmahnung“, sondern auch der Hinweis auf der Internetseite (wie im Übrigen die gesamte restliche Internetseite) wie ein Versuch, das Vorgehen in der Sache irgendwie zu legitimieren. Die grundsätzlichen Zweifel an den Forderungen, die hier gestellt werden, lassen sich aus unserer Sicht so jedenfalls nicht ausräumen, sondern erhärten den Verdacht des Rechtsmissbrauchs nur noch.
Reaktion
Die richtige Reaktion auf derartige Schreiben ist zugegebenermaßen davon abhängig, wieviel Zeit und Geld betroffene Webseitenbetreiber in die Angelegenheit investieren wollen.
Für den Fall, dass es sich tatsächlich um eine rechtsmissbräuchliche „Massenabmahnung“ handelt, dürfte das Risiko einer gerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche relativ niedrig sein. Betroffene Webseitenbetreiber könnten daher ein solches Schreiben unter Inkaufnahme eines verbleibenden Restrisikos einfach wegwerfen.
Das verbleibende Restrisiko bestimmt sich danach, was im Falle eines gerichtlichen Verfahrens drohen könnte. Zum einen wäre denkbar, dass die Gegenseite eine Klage auf Zahlung der 170,00 Euro erhebt. In diesem Fall könnten Verfahrenskosten (das sind die Kosten für den eigenen Anwalt, den gegnerischen Anwalt und das Gericht) in Höhe von 453,16 Euro entstehen. Das Kostenrisiko übersteigt daher die Forderung erheblich, so dass offen gesagt eine gerichtliche Auseinandersetzung insoweit als unsinnig erscheint. Zum anderen könnte es allerdings auch dazu kommen, dass eine Unterlassungsklage folgt. In einem solchen Fall wäre der Streitwert des Unterlassungsanspruchs maßgeblich bei der Berechnung des Kostenrisikos; in jedem Fall wäre hier aber mit nochmals deutlich höheren Verfahrenskosten zu rechnen.
UPDATE/ Ergänzung vom 26.09.2022: Über das Wochenende sind hier weitere Anfragen betreffend Abmahnungen wegen der rechtswidrigen Einbindung von Google Fonts eingegangen. Hierbei ist wiederholt die Frage aufgetreten, wie sich die Verfahrenskosten bei einem Unterlassungsklageverfahren darstellen würden, so dass ich diesen Punkt kurz ergänze. Auch im Unterlassungsverfahren richten sich die Verfahrenskosten nach dem Streitwert; dieser wird letztlich durch das Gericht festgesetzt. Üblich dürfen dabei Streitwerte für den Unterlassungsanspruch sein, die sich ab ca. 5.000,- Euro aufwärts bewegen. In dem in diesem Beitrag angesprochenen Urteil des LG München I etwa war der Streitwert (für alle streitgegenständlichen Ansprüche) auf rund 5.650,- Euro gestgesetzt worden. Ausgehend von einem Streitwert von 5.000,- Euro würde sich jedenfalls ein Kostenrisiko in Höhe von 2.517,90 Euro ergeben.
Alternativ wäre es in einem solchen Fall auch möglich, die Ansprüche zurückzuweisen. Dies kann zum einen dergestalt geschehen, dass ein Rechtsanwalt beauftragt wird, der ein entsprechendes Ablehnungsschreiben an die Gegenseite veranlasst. Das Problem hierbei ist: handelt es sich in einem solchen Fall tatsächlich um eine rechtsmissbräuchliche Massenabmahnung, dann droht sehr wahrscheinlich so oder so keine gerichtliche Geltendmachung der Ansprüche. Der betroffene Webseitenbetreiber hätte damit tatsächlich kein Risiko, dass er sich mit der Sache oder Kostenrisiken bei Gericht befassen muss, er hätte aber auf jeden Fall die Kosten seines eigenen Rechtsanwalts zu tragen und wendet damit womöglich unnötig Geld auf. Sollte die Gegenseite indessen tatsächlich eine gerichtliche Geltendmachung einplanen, dann dürfte es hingegen unerheblich sein, ob das „Abmahnschreiben“ einfach ignoriert oder mit einem Ablehnungsschreiben beantwortet wurde; in wirtschaftlicher Hinsicht ergeben sich insoweit kaum Unterschiede.
Zum anderen wäre es daher möglich, ein solches „Abmahnschreiben“ ohne Mandatierung eines Rechtsanwalts zu beantworten. Hierzu sind keine umfangreichen Begründungen nötig, da – das zeigt die Erfahrung aus vergleichbaren Mandanten – eine auf den konkreten Einzelfall bezogene Stellungnahme der Gegenseite höchst unwahrscheinlich ist.
Ein einfaches Musterschreiben, das der Ablehnung von Ansprüchen aus einer Google-Fonts-Abmahnung dient, finden Sie hier:
Muster-Antwortschreiben nach Google Fonts-Abmahnung
Wer möchte, kann die in einer solchen Sache erhobenen Ansprüche natürlich auch erfüllen. Inwieweit das sinnvoll ist, muss der jeweilige Internetseitenbetreiber letztlich selbst entscheiden.