Alle paar Monate ist es nötig, auf die Behandlung von Anrufen mit unterdrückter Rufnummer in…
Corona: Über die Diskussionskultur in unserem Land
Vielleicht haben Sie es mitbekommen: gegen Ende letzter Woche hat die Aktion „Alles dicht machen“ einiger Schauspieler für erhebliche Unruhe gesorgt. Etwas mehr als 50 mehr oder weniger bekannte Film- und Fernsehschauspieler hatten ebenso viele Videos veröffentlicht, die sich mit der Corona-Situation in satirischem Stil auseinandersetzen.
Die Folge: insbesondere in den Massenmedien kam es zu einem regelrechten Shitstorm gegenüber allen Beteiligten, in dessen Rahmen nicht nur einfach Kritik geäußert wurde, sondern in dem auch der Vorwurf der Verbreitung von Verschwörungstheorien bis hin zu rechtem Gedankengut erhoben wurde. Sogar der Ruf danach, beteiligte Schauspieler zukünftig von bestimmten Fernsehproduktionen auszuschließen, wurde laut. Selbst von Morddrohungen gegenüber den beteiligten war zu lesen.
Die Reaktionen auf die Aktion lassen aus meiner Sicht tief blicken, wie es um die Diskussionskultur in unserem Land bestellt ist. Ich habe mir die meisten der Videos angesehen und fand diese durchaus interessant gemacht – wobei ich zugeben muss, dass ich ohnehin eine gewisse Vorliebe für Satire habe. Dass die in den Videos geäußerte Kritik sich auch zum Teil mit meinen eigenen Ansichten deckt, war natürlich nicht schädlich. Und aus meiner Sicht hätten die Videos durchaus einen Anreiz dafür bieten können, sich mit der transportierten Kritik auseinanderzusetzen.
Ein Beispiel, das aus meiner Sicht eine besondere Erwähnung in diesem Zusammenhang finden sollte, ist das Video das Schauspielers Jens Wawrczeck,
Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=RJlZZOJA_X4
Wie schon so oft an dieser Stelle der Hinweis, dass das Video ggf. bei YouTube verschwinden könnte, nachdem schon jetzt erkennbar versucht wird, die zur Aktion gehörenden Videos in den Suchergebnissen weitestgehend auszublenden. Das Video ist aber derzeit auch noch auf der Internetseite der Aktion verfügbar,
Quelle: https://allesdichtmachen.de/
Jedenfalls: Wawrczeck bringt in nicht einmal einer Minute eines der Kernprobleme auf den Punkt. Der Applaus – also die Zustimmung – von der falschen Seite ist gefährlich. Ausreichend ist es heute bereits, dass man irgendwie in eine bestimmte ungewollte Ecke gerückt werden könnte, und schon ist man außen vor und es braucht keine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Sache mehr. Ob der Vorwurf an sich begründbar ist, spielt augenscheinlich keine Rolle.
So oder so: eine Auseinandersetzung mit den Inhalten der Videos sucht man in den meisten Medien vergeblich, vielmehr wird mehr oder weniger pauschal verteufelt, was hier passiert ist. Scheinheilig finde ich im Übrigen, wenn hier geschrieben wird, die Teilnehmer der Aktion täten ja ohnehin nichts anderes als zu kritisieren und zu spalten, würden aber selbst keine Lösungen präsentieren.
Sagen wir es einmal so: es ist nicht die Aufgabe (der Teilnehmer dieser Aktion) hier Lösungen zu präsentieren. Das Finden von Lösungen ist Aufgabe der Politik, und diese muss diesem Auftrag nicht nur nachkommen, sondern sich auf für die gefundenen „Lösungen“ rechtfertigen können und sich gegebenenfalls Kritik hieran gefallen lassen. Man kann dabei freilich immer unterschiedlicher Meinung sein – aber es ist jedenfalls mehr als nur ein Gebot, dass man fremde Meinungen nicht nur zur Kenntnis nimmt, sondern überhaupt erst einmal zulässt.
Was ich persönlich an der gesamten Situation eher befremdlich finde ist die Art und Weise, wie hier binnen kürzester Zeit von nahezu allen Medien berichtet worden ist (nämlich dergestalt, dass einige Teilnehmer zwischenzeitlich das Bedürfnis hatten, ihre Videos zurückzuziehen, also auf ihre Meinungsfreiheit zu verzichten), wohingegen bei der Neuregelung des Infektionsschutzgesetzes vor einigen Tagen die kritischen Stimmen deutlich verhaltender ausgefallen sind. Bei Kunst – die einem gefallen kann oder auch nicht, der man zustimmen kann oder auch nicht – geschieht also das, was eigentlich eher angebracht wäre, wenn es um die umfangreichsten Eingriffe in unsere Grundrechte seit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes geht. Das macht durchaus nachdenklich.