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Filesharing: Gibt es eine vorgerichtliche Antwortpflicht bei einer Abmahnung?

Die Zahl an Filesharing-Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen in Tauschbörsen ist stark rückläufig und im Vergleich zu noch vor einigen Jahren kaum noch von Bedeutung. Dafür haben gerichtliche Verfahren im Gegenzug deutlich an Bedeutung gewonnen. Der BGH hat betreffend Filesharing-Abmahnungen in den letzten Jahren auch einige wichtige Fragen geklärt; trotzdem gibt es nach wie vor einige nicht höchstrichterlich geklärte Rechtsfragen.

Eine davon ist das Folgende: inwieweit ist derjenige Anschlussinhaber, der geltend machen will, dass er selbst nicht der Täter ist, weil tatsächlich ein Dritter die Rechtsverletzung begangen hat, zu einer vorgerichtlichen Sachverhaltsaufklärung verpflichtet? Mit anderen Worten: muss ein Anschlussinhaber einen ihm bekannten Täter bereits vorgerichtlich nennen?

Der rechtliche Hintergrund dieser Frage ergibt sich aus einer Eigenart, die in Filesharing-Verfahren besteht. Im gerichtlichen Verfahren gilt nämlich zunächst einmal die Vermutung, dass der Anschlussinhaber persönlich für eine über seinen Internetanschluss begangene Urheberrechtsverletzung haftet. Sofern der Anschlussinhaber sich dieser Verantwortlichkeit entziehen will, trifft ihn eine sog. sekundäre Darlegungslast, nach der er im Prozess nachvollziehbar darstellen muss, wer an seiner Stelle als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommt. Nur wenn der Anschlussinhaber dieser sekundären Darlegungslast nachkommt, besteht eine Chance auf eine erfolgreiche Abwehr von z.B. Schadenersatzforderungen im gerichtlichen Verfahren.

Nun gibt es durchaus Fälle, in denen der Anschlussinhaber nicht persönlich für die ihm vorgeworfene Rechtsverletzung verantwortlich ist, sondern entweder schon im Zeitpunkt des Erhalts der Abmahnung oder aufgrund anschließend getätigter Nachforschungen weiß, wer der Täter ist. In solchen Fällen hat der Anschlussinhaber grundsätzlich die Möglichkeit, dass er gegenüber dem Rechteinhaber den Täter offenbart, um sich selbst der ihn andernfalls treffenden Vermutungshaftung zu entziehen. Nachvollziehbarerweise gibt es aber auch Situationen, in denen der Anschlussinhaber den wahren Täter nicht nennen will – z.B. weil es sich um Familienmitglieder oder Freunde handelt.

In einer solchen Konstellation hat der Anschlussinhaber es selbst in der Hand, ob er bei einem möglichen Prozess seiner sekundären Darlegungslast nachkommt (also z.B. das Familienmitglied benennt, das die Rechtsverletzung begangen hat mit der Folge, dass der Rechteinhaber sodann die Ansprüche auf diese Person umwälzen wird) oder ob er sich dazu entschließt, die sekundäre Darlegungslast nicht zu erfüllen und stattdessen ein Urteil zu seinen Lasten hinzunehmen, um den wahren Täter zu schützen.

In anderen Fällen, insbesondere in solchen, in denen zwischen dem Anschlussinhaber und dem Täter keine besondere Nähebeziehung besteht, kann der Anschlussinhaber indessen den Täter in einem gerichtlichen Verfahren ohne weiteres benennen. Die Folge: der Anschlussinhaber kommt seiner sekundären Darlegungslast nach und die Klage ihm gegenüber wird abgewiesen. Außerdem muss der klagende Rechteinhaber die Verfahrenskosten tragen.

Dieses Ergebnis ist nachvollziehbarerweise für den klagenden Rechteinhaber insbesondere aufgrund der zu bezahlenden Verfahrenskosten ärgerlich, auch wenn dieser sich nach Nennung des wahren Täters an diesen halten kann (und im Übrigen die im Vorprozess gegen den Anschlussinhaber angefallenen Kosten zusätzlich als Schaden geltend machen kann).

Zwischenzeitlich haben daher einige Rechteinhaber, um ein Unterliegen im Prozess zu vermeiden, wenn der Anschlussinhaber erst im Prozess den Täter nennt, neue Wege gesucht, dennoch eine irgendwie geartete Haftung des Anschlussinhabers zu begründen. Teilweise wird dabei versucht, eine Verletzung von Antwortpflichten zu konstruieren, dem Anschlussinhaber Schädigungsvorsatz nach § 826 BGB zu unterstellen oder diesen zumindest aufgrund des Provozierens eines unnötigen Prozesses zur Kostentragung verpflichten zu lassen.

Soweit ersichtlich, gibt es hier noch keine einheitliche Linie, nach der die Gerichte in solchen Konstellationen entscheiden. Es ist daher davon auszugehen, dass früher oder später eine Klärung durch den BGH erfolgen wird, ob ein Anschlussinhaber schon mit Erhalt einer unbegründeten Abmahnung (also einer solchen, bei der er weder als Täter noch als Störer für die Rechtsverletzung haftet), vorgerichtlich zur Sachverhaltsaufklärung und Nennung des Täters verpflichtet ist.

In diesem Beitrag sollen exemplarisch zwei von den Gerichten vertretene Standpunkte zu dieser Rechtsfrage dargestellt werden sowie auch deren Folgen angesprochen werden.

Die Entscheidung des LG Frankfurt am Main: Unterlassungsvertrag zwischen den Parteien begründet Aufklärungspflicht des Anschlussinhabers

Das LG Frankfurt am Main mit Urteil vom 17.07.2019, Az. 2-03 O 237/18, entschieden, dass derjenige, der eine Unterlassungserklärung abgibt, eine Nebenpflicht dahingehend hat, den Sachverhalt frühzeitig aufzudecken und so einen unnötigen Prozess zu vermeiden. Kommt er dieser Pflicht nicht nach und benennt den Täter erst im Prozess, dann hat er diese (ungeschriebene) Pflicht verletzt und haftet zumindest auf die Prozesskosten. In diesem Fall hat das LG Frankfurt eine Kostentragungspflicht des Abgemahnten bejaht und diese auf § 826 BGB sowie eine Verletzung von Nebenpflichten aus dem abgeschlossenen Unterlassungsverpflichtungsvertrag gestützt.

Das LG Frankfurt am Main hat formuliert:

„Aufgrund der Abgabe der Unterlassungsverpflichtungserklärung durch die Beklagte zu 1. in der mündlichen Verhandlung am 07.12.2018 (vgl. Protokoll Bl. 201d.A.) und die Annahme dieser durch die Klägerin ist zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1) ein Unterlassungsvertrag zustande gekommen.

 Dieser Unterlassungsvertrag wird in besonderem Maße durch Treu und Glauben und das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme bestimmt, woraus sich je nach den Umständen auch Pflichten zur Aufklärung ergeben können, wenn dem anderen Teil als Folge des Verhaltens des Verletzers Kostenschäden drohen, die durch die Aufklärung unschwer zu vermeiden sind (BGH, GRUR 1990, 542 – Aufklärungspflicht des Unterwerfungsschuldners).

 Eine solche Pflicht zur Aufklärung hat die Beklagte zu 1. vorliegend verletzt, denn die Beklagte zu 1. hatte – wie zuvor dargelegt – im Zeitpunkt des Abschlusses des Unterlassungsvertrages aufgrund eines anlässlich der Fertigung der Klageerwiderung mit ihrem Sohn Kenntnis davon, dass dieser es – entgegen seiner ursprünglichen Behauptung als 13-Jähriger – tatsächlich nicht wusste, wer die streitgegenständlichen Rechtsverletzungen begangen hat.“

Das LG Frankfurt hat bei der Entscheidung nicht darauf abgestellt, dass sich eine vorgerichtliche Aufklärungspflicht des Anschlussinhabers aus der sekundären Darlegungslast ergebe. Vielmehr ist das Gericht davon ausgegangen, dass derjenige, der eine Unterlassungserklärung abgibt, eine ungeschriebene Nebenpflicht dahingehend habe, Kenntnisse zum Sachverhalt wahrheitsgemäß gegenüber dem Rechteinhaber kundzutun.

Kommt ein Anschlussinhaber dieser Nebenpflicht nicht nach, so haftet er im Ergebnis selbst auf solche Verfahrenskosten, die dem Rechteinhaber aus einem Verfahren gegenüber dem Anschlussinhaber entstehen.

Diese Entscheidung ist vor allem deswegen von Bedeutung, weil über viele Jahre ein sog. schweigende Verteidigung gegen Abmahnungen empfohlen wurde. Gerade solche Anschlussinhaber, die sich nicht anwaltlich vertreten lassen haben, sondern sich an kostenlose Ratschläge aus dem Internet gehalten haben, haben hier wie folgt nach Erhalt einer Abmahnung reagiert: auf die Abmahnung hin wurde eine abgeänderte Unterlassungserklärung abgegeben, im Übrigen wurde zum Sachverhalt keine Stellungnahme abgegeben.

Dieser Weg war zugegebenermaßen dann von Erfolg gekrönt, wenn eine Klage auf Schadenersatz und Anwaltskosten ausgeblieben ist. Sofern indessen eine Zahlungsklage nachfolgte, galt wie in jedem anderen Fall auch, dass der Anschlussinhaber seiner sekundären Darlegungslast nachkommen musste, andernfalls er eben verurteil würde.

Die Entscheidung des LG Frankfurt zu Grunde gelegt hätte diese Vorgehensweise aber zur Folge, dass selbst wenn der Anschlussinhaber im Prozess den wahren Täter benennt, er einfach aufgrund der Abgabe der modifizierten Unterlassungserklärung und seines Verschweigens des Täters bis zum Prozess hin zumindest die Verfahrenskosten zu tragen hat.

Sofern die Entscheidung des LG Frankfurt daher im Ergebnis als richtig anzusehen wäre, bestünde mithin in allen Verfahren, in denen eine Unterlassungserklärung ohne jedwede Stellungnahme zum Sachverhalt abgegeben wurde, dass der Anschlussinhaber am Ende selbst bei nicht gegebener Verantwortlichkeit auf möglichen Kosten sitzen bleibt.

Meiner persönlichen Einschätzung nach ist der Ansatz des LG Frankfurt zwar nachvollziehbar, aber im Ergebnis kaum haltbar. Denn letztlich wird dem Anschlussinhaber hier eine ungeschriebene Nebenpflicht aufgebürdet, die man so wohl kaum aus einer Unterlassungserklärung ableiten kann, zumindest dann nicht, wenn der Anschlussinhaber weder als Täter noch als Störer anzusehen ist. Denn sofern eine Unterlassungserklärung nicht ausdrücklich ein Schuldanerkenntnis enthält, besagt diese eben nur, dass der Anschlussinhaber in Zukunft die ihm vorgeworfene Rechtsverletzung unterlassen wird, mehr aber auch nicht. Aus dieser auf die Zukunft gerichteten Verpflichtung eine ungeschriebene Nebenpflicht herzuleiten, nach der der Anschlussinhaber faktisch die sekundäre Darlegungslast bereits vorgerichtlich erfüllen muss, erscheint fragwürdig.

Ob die Rechtsansicht des LG Frankfurt sich am Ende durchsetzen wird, bleibt abzuwarten.

Anschließend geht es um die gegenteiligen Rechtsauffassung, die vom LG München I in einem von uns geführten Verfahren bestätigt wurde.

Diesem Rechtsstreit lag ein relativ einfacher Sachverhalt zu Grunde: der von uns vertretene Anschlussinhaber erhielt im Jahr 2014 eine Abmahnung. Die Rechtsverletzung rührte jedoch nicht von dem Anschlussinhaber her, sondern war durch einen Dritten begangen worden. Konkret: der Anschlussinhaber hatte den Anschluss im Rahmen einer (Unter-)Vermietung zur Verfügung gestellt und wie sich herausstellte, war der Sohn der Mieterin für die Rechtsverletzung verantwortlich.

Aufgrund des damals nicht völlig ausschließbaren Risikos, dass bei Nennung des Täters zumindest eine Störerhaftung des Anschlussinhabers übrig bleiben könnte, wurde sodann aus Sicherheitserwägungen heraus eine deutlich abgeänderte Unterlassungserklärung abgegeben; im Übrigen aber die Rechtsverletzung ohne weiteren Sachvortrag zurückgewiesen. Im weiteren Verlauf folgte sodann ein Mahnbescheid und Ende 2017 (nach Widerspruch gegen denselben) auch die Anspruchsbegründung.

Im gerichtlichen Verfahren wurde sodann der Täter benannt. Dieser war zwischenzeitlich nach Ungarn verzogen. Nachdem der Vortrag zunächst durch die Klagepartei bestritten wurde, erfolgte zunächst eine umfangreiche Beweisaufnahme, nach deren Ende feststand: Täter war der benannte Sohn der Mieterin. Dies wurde letztlich sogar unstreitig gestellt, und der Streit drehte sich fortan nur noch um die Frage, ob der beklagte Anschlussinhaber nicht doch wieder auf Schadenersatz und Anwaltskosten haften würde, weil er vorsätzlich die Klägerin geschädigt haben solle. Alternativ solle der Anschlussinhaber zumindest aufgrund der Verletzung einer vorgerichtlichen Antwortpflicht zumindest auf die Verfahrenskosten haften.

Im Ergebnis wurde die Klage der Rechteinhaberin allerdings in vollem Umfang durch das AG Landshut (10 C 985/18 AG Landshut) abgewiesen. Gegen dieses Urteil legte die Rechteinhaberin Berufung an das LG München I ein, die nun mit Urteil vom 13.11.2019, Az. 21 S 205/19, zurückgewiesen wurde.

Anders als das LG Frankfurt sah das LG München I keine Verpflichtung eines Anschlussinhabers, einen Täter bereits vorgerichtlich zu benennen und begründete diese Entscheidung wie folgt:

„(…)

2. Die Berufung ist jedoch unbegründet, da der Klägerin kein Anspruch auf Ersatz der durch die gerichtliche Inanspruchnahme des Beklagten entstandenen Kosten zusteht.

a) Kein Anspruch aus §§ 280 Abs. 1 S. 1 BGB i. V. m. §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB

Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch aus c.i.c (§§ 280 Abs. 1 S. 1 BGB i. V. m. §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB), da allein die einseitige Versendung der Abmahnung keine Vertragsanbahnung o.ä. im Sinne des § 311 Abs. 2 BGB darstellt (vgl. etwa zu wettbewerbsrechtlichen Gegenansprüchen Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 4 Rn. 4.183).

b) Kein Anspruch aus § 242 BGB i. V. m. den Grundsätzen der Störerhaftung

Die Klägerin hat gegen den Beklagten außerdem keinen Anspruch aus § 242 BGB i. V. m. den Grundsätzen der Störerhaftung, insbesondere sind die Grundsätze der Entscheidung Antwortpflicht des Abgemahnten (BGH GRUR 1990, 381) nicht auf die vorliegende Konstellation übertragbar.

aa) Zunächst ist der Beklagte vorliegend kein Störer. Neben einer adäquat kausalen willentlichen Mitverursachung wäre grundsätzlich zur Begründung der Störerhaftung die Verletzung zumutbarer Prüfungspflichten notwendig. Hierfür bestehen jedoch keine Anhaltspunkte. Hiergegen erinnert auch die Klägerin nichts.

bb) Der BGH begründet die Antwortpflicht in der vorgenannten Entscheidung im Übrigen damit, dass der Störer aufgrund der durch seinen Wettbewerbsverstoß entstandenen und durch die Abmahnung konkretisierten wettbewerbsrechtlichen Sonderbeziehung nach Treu und Glauben zur Antwort verpflichtet sei. Auch hier liegt ein Unterschied, denn der Beklagte hat vorliegend die Urheberrechtsverletzung nicht begangen. Selbst wenn man also eine Parallele zum Wettbewerbsrecht ziehen wollte, fehlt es vorliegend an der Passivlegitimation, da der Urheberrechtsverstoß nicht vom Beklagten verursacht wurde.

cc) Außerdem ist der Beklagte eine Privatperson. Er handelte nicht als Wettbewerber der Klägerin. Eine Übertragung wettbewerbsrechtlicher Grundsätze ist auch aus diesem Grund nicht zulässig.

c) Kein Anspruch aus dem Unterlassungsvertrag, §§ 280 Abs. 1 S. 1 BGB i. V. m. § 241 Abs. 2 BGB

Die Klägerin hat gegen den Beklagten auch keinen Anspruch wegen einer Nebenpflichtverletzung aus dem Unterlassungsvertrag; mithin scheidet die Verletzung einer Aufklärungspflicht aus.

aa) Die Parteien haben einen Unterlassungsvertrag geschlossen. Der Beklagte hat sich zur Unterlassung verpflichtet (Anlage K7). Dies hat die Klägerin auch angenommen (K8).

bb) Es besteht aber aufgrund der Unterlassungserklärung keine Nebenpflicht für den Beklagten nach § 241 Abs. 2 BGB im Wege einer Aufklärungs- bzw. Informationspflicht, den wahren Täter zu benennen.

Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Beklagte bereits im Angebot zum Abschluss eines Unterlassungsvertrags bestritten hat, der wahre Täter zu sein (Anlage K7 S. 2). Im Übrigen gab er die Unterlassungserklärung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und ohne Schuldeingeständnis ab (Anlage K7 S. 2). Für die Klägerin war daher bei Annahme ersichtlich, dass der Unterlassungsvertrag entsprechende Pflichten nicht umfassen sollte.

Im Übrigen ergibt sich aus einem derartigen Unterlassungsvertrag, der aus einer unberechtigten Abmahnung entsteht – der also nicht den Täter oder Störer zur Unterlassung verpflichtet – keine Pflicht für den Anschlussinhaber, den wahren Täter zu benennen.

Auch hier sind die Grundsätze aus wettbewerblicher Haftung nicht übertragbar, wie sie der BGH in der Entscheidung Aufklärungspflicht des Unterwerfungsschuldners (BGH GRUR 1990, 542) aufgestellt hat. So hat der Beklagte bislang keinen Urheberrechtsverstoß begangen, da er nicht Täter der streitgegenständlichen Verletzungshandlung war. Auch kam es nicht zu einer Wiederholung der Verletzung nach Abgabe der Unterlassungsverpflichtungserklärung, über die der Beklagte ggfs. aufklärungspflichtig gewesen wäre. Außerdem ist der Beklagte als Privatperson nicht einem Wettbewerber der Klägerin gleichzustellen.

d) Keine andere Beurteilung aus den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast

Auch aus den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast folgt nicht, dass die oben genannten möglichen Anspruchsgrundlagen anders zu beurteilen wären. Die von der Klägerin benannten Urteile sind daher nicht geeignet, die Klageforderung zu begründen. Die Grundsätze der sekundären Darlegungslast sind ein rein prozessuales Institut, das im Rahmen von § 138 ZPO zu beachten ist.

Die sekundäre Darlegungslast trifft den Anschlussinhaber insoweit, als eine tatsächliche Vermutung dafür spricht, dass er Täter der jeweiligen streitgegenständlichen Verletzungshandlung ist. Um dieser Vermutung zu entgehen, kann er – um der eigenen Haftung aus Vermutung zu entgehen – Tatsachen vortragen, nach denen ernsthaft ein anderer Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommt (vgl. etwa Loud (BGH GRUR 2017, 1233 – Loud, EuGH GRUR 2018, 1234 – Bastei-Lübbe/Strotzer). Der Anschlussinhaber hat es demnach im Prozess selbst in der Hand, ob er selbst haftet oder den Täter benennt, um einer eigenen Haftung zu entgehen.

Die sekundäre Darlegungslast ist aber ein Institut der Darlegungs- und Beweislast im Zivilprozess – sie ist nicht geeignet, dem Beklagten bzw. Anschlussinhaber außergerichtliche Pflichten oder Obliegenheiten aufzuerlegen.

Würde man dies anders sehen und eine entsprechende vorprozessuale Handlungspflicht bejahen, führte dies dazu, dass der Anspruch, den wahren Täter zu benennen ggfs. einklagbar wäre. Dies kann jedoch aus einer reinen Beweislastregel nicht folgen.

Im Übrigen wird der Schutzrechtsinhaber auch nicht schutzlos gestellt. Er kann gegen den im Prozess offenbarten Dritttäter vorgehen und von diesem auch die Kosten des Erstprozesses und der ersten Abmahnung des Anschlussinhabers als Schadensersatz geltend machen (vgl. BGH GRUR 2018, 914 – Riptide).

Soweit die Klägerin insoweit ausführt, dass der Anspruch gegen den Dritten oftmals leerlaufe, kann dies die Kammer nicht überzeugen. Würde die Rechtsverletzung nach Abmahnung alsbald gerichtlich verfolgt – und nicht wie vorliegend lange zugewartet (Abmahnung 13.03.2014 – Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids 15.12.2017), dürften die zu erwartenden Nachteile für die Klägerin überschaubar sein.

(….)“

Das LG München I hat wie oben ersichtlich schulbuchmäßig die verschiedenen Anspruchsgrundlagen durchgeprüft und im Ergebnis zutreffend verneint. Soweit es um die sekundäre Darlegungslast geht, hat das LG München I überzeugend darauf verwiesen, dass es sich insoweit um eine prozessuale Pflicht handle, die nicht auf das vorgerichtliche Verfahren übertragen werden können. Auch hat das Gericht in einer abgegeben Unterlassungserklärung – jedenfalls dann, wenn daneben ausdrücklich die Rechtsverletzung bestritten worden ist – keine ungeschriebene Nebenpflicht zur vorgerichtlichen Sachverhaltsaufklärung gesehen. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung äußerte das Gericht hierzu, dass schließlich für den Unterlassungsschuldner in irgendeiner Form erkennbar sein müsse, letztlich in der Lage sein müsse, seine eingegangenen Verpflichtungen aus der Unterlassungserklärung zu überblicken – was bei einer ungeschriebenen Nebenpflicht schlicht nicht erkennbar sei.

Das LG München I hat aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Sache die Revision zum BGH zugelassen. Wir gehen davon aus, dass früher oder später der BGH zu dieser Rechtsfrage wird entscheiden müssen.

Meiner persönlichen Auffassung nach ist der Rechtsansicht des LG München I zuzustimmen. Die klagende Partei hatte in dem Verfahren hauptsächlich damit argumentiert, dass die vorgerichtliche Aufklärung des Sachverhalts gerade eine der Hauptpflichten nach Erhalt einer Abmahnung sei und dabei auf die Riptide-Entscheidung des BGH vom 22. März 2018, Az. I ZR 265/16, abgestellt:

„(…) Denn die Abmahnung des Anschlussinhabers, deren Kosten die Klägerin als Schadensersatz geltend macht, stellt sich mit Blick auf den Beklagten als für die Rechtsverfolgung erforderliches und zweckmäßiges Mittel der Sachverhaltsaufklärung dar (siehe vorstehend Rn. 21tf .). Nicht anders als Kosten der Schadensfeststellung (vgl. dazu BGH, Urteil vom 28. Februar 2O17 – Vl ZR 76116, NJW 2017, 1875 Rn. 6 mwN; PalandUGrüneberg, BGB, 77. Aufl., S 249 Rn. 58) unterfallen die durch sie verursachten Kosten damit ohne weiteres dem Schutzzweck der schadensersatzrechtlichen Normen.“ [zit. nach juris, Rn. 27] (…)“

Dem ist meiner Einschätzung nach nicht zuzustimmen; denn mit dem Ausspruch der Abmahnung wird gegenüber dem Anschlussinhaber bereits die Vermutungshaftung begründet. Der Rechteinhaber geht mithin im Zeitpunkt des Ausspruchs der Abmahnung schon gar nicht davon aus, dass der Sachverhalt noch aufzuklären sei, sondern dieser vermutet bereits von Beginn an die Haftung des Anschlussinhabers.

Soweit tatsächlich eine Sachverhaltsaufklärung das Ziel des Vorgehens des Rechteinhabers wäre, würde sich hierfür meines Erachtens eher eine Berechtigungsanfrage anbieten. Denn wenn der Rechteinhaber Zweifel an der Haftung des Anschlussinhabers hätte, würde er nicht das Risiko des Ausspruchs einer unbegründeten Abmahnungen eingehen – schließlich wäre bei einer unbegründeten Abmahnung nämlich auch möglich, dass der Anschlussinhaber nicht mit einer Aufklärung des Sachverhalts, sondern einer negativen Feststellungsklage antwortet.

Abschließend soll es darum gehen, welche Folgen eine Entscheidung des BGH über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Antwortpflicht bei einer unberechtigten Abmahnung haben könnte.

Ausgangspunkt dabei ist die Überlegung, dass die ausgesprochene Abmahnung unberechtigt erfolgt ist, mithin nicht der Anschlussinhaber die ihm angelastete Urheberrechtsverletzung begangen hat, sondern ein ihm bekannter Dritter, den der Anschlussinhaber aber nicht benennt.

Nimmt man in dieser Situation an, der Anschlussinhaber habe bei einer Abmahnung, mit der Ansprüche ihm gegenüber geltend gemacht werden, obwohl diese tatsächlich nicht bestehen, eine Antwortpflicht an, so hat dies zur Konsequenz, dass der Anschlussinhaber in jedem Fall auf eine Abmahnung reagieren müsste. Nicht selten werden dem Anschlussinhaber dabei Kosten entstehen, denn so einfach die bisherige Rechtsprechung des BGH auf den ersten Blick erscheinen mag: oft sind es die Details, die darüber entscheiden, ob der Anschlussinhaber sich vollständig entlasten kann oder nicht. Für die allermeisten Anschlussinhaber würde die Annahme einer vorgerichtlichen Antwortpflicht auch in dem Fall, dass sie eigentlich nicht haften müssen, die Beratung durch einen Rechtsanwalt erforderlich machen. Dies geht mit Kosten und Zeitaufwand einher, was nicht von jedem Anschlussinhaber mit Begeisterung angenommen sein wird. Es mag sein, dass in einem solchen Fall gegen den wahren Täter Regressansprüche bestehen, allerdings werden diese in bestimmten Fällen nicht durchsetzbar sein. Auch muss offen angesprochen werden, dass bei weitem nicht jede Abmahnung am Ende in einem gerichtlichen Verfahren landet – es ist also durchaus legitim, wenn ein Anschlussinhaber sich für den risikoreichen Weg entscheiden möchte und es hierauf ankommen lassen will.

Aus meiner Sicht folgt das Hauptargument, weshalb der Anschlussinhaber bei einer unberechtigten Abmahnung nicht zur Antwort verpflichtet werden darf, indessen aus einer rein wirtschaftlichen Überlegung: die Annahme einer vorgerichtlichen Antwortpflicht beruht gerade auf der Überlegung, dass unnötige Verfahrenskosten (für den Rechteinhaber, wenn dieser erfolglos auf Schadenersatz gegen den Anschlussinhaber klagt) vermieden werden sollen. Nimmt man aber eine Verpflichtung des Anschlussinhabers zur Antwort an, so kann dieser sich vor allem dadurch von eigenen Kosten freihalten, indem er auf die unberechtigte Abmahnung mit einer negativen Feststellungsklage antwortet und in diesem Rahmen den wahren Täter benennt. Da aber mit einer Abmahnung ein Unterlassungsanspruch geltend gemacht wird, wäre bei einer solchen negativen Feststellungsklage der Streitwert um ein Vielfaches höher als bei einer einfachen Zahlungsklage. Die Folge: klärt der Anschlussinhaber im Rahmen der negativen Feststellungsklage den Sachverhalt auf, was er ja schon deswegen tun muss, um mit der Klage erfolgreich zu sein – dann erhält der Rechteinhaber zwar die gewünschte Sachverhaltsaufklärung, aber zu deutlich höheren Kosten (namentlich im Bereich mehrerer tausend Euro). Das wird so nicht gewollt sein.

Letztlich wäre also die Annahme einer Antwortpflicht bei einer unbegründeten Filesharing-Abmahnung in jeder Hinsicht kontraproduktiv.

Wird umgekehrt das Bestehen einer Antwortpflicht verneint, so hätte dies zur Folge, dass ein unberechtigt abgemahnter Anschlussinhaber die Abmahnung im wahrsten Sinne des Wortes in den Papierkorb werfen könnte. Zwar trägt er – wenn er nicht freiwillig auf die Abmahnung antwortet – das Risiko, dass er sich irgendwann in einem gerichtlichen Verfahren zu dem Sachverhalt äußern muss oder dass er gar gegen eine ihm gegenüber erlassene einstweilige Verfügung vorgehen müsste. Aber: sofern er dann den wahren Täter benennt, ist dieses Vorgehen am Ende für den Anschlussinhaber nahezu risikolos.

Im Übrigen muss an dieser Stelle auch betont werden, dass die Ablehnung einer Antwortpflicht bei einer unberechtigten Abmahnung keine erkennbaren Nachteile für den Rechteinhaber bietet. Sofern der Rechteinhaber eine Abmahnung aussprechen lassen will, muss er so oder so gegenüber dem eigenen Rechtsanwalt in Vorleistung gehen und die Kosten der Abmahnung erst einmal selbst tragen. Ob er diese am Ende beim Anschlussinhaber erfolgreich durchsetzen kann und ob er zusätzlich Schadenersatz beanspruchen kann, ist in jedem Fall eine Frage danach, ob der Anschlussinhaber haftet oder nicht und damit ein Risiko, dass der Rechteinhaber von Anfang an kennt und zu tragen bereit ist. Auch bleibt jedem Rechteinhaber die Möglichkeit, bei Nennung des wahren Täters gegen diesen vorzugehen. Insoweit müssen Rechteinhaber sich dann eben überlegen, ob – wie bisher – Abmahnangelegenheiten tatsächlich eine Bearbeitungsdauer von mehreren Jahren rechtfertigen oder ob es nicht sinnvoll wäre, Ansprüche zukünftig nötigenfalls deutlich schneller auch gerichtlich geltend zu machen, um einem „Verschwinden“ des wahren Täters zuvorzukommen.

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