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Filesharing: Nach Abmahnung keine Klage, sondern Inkasso-Schreiben?
Derzeit erhalten viele Personen, die bereits vor einigen Jahren (ca. 2012 und 2013) eine Abmahnung wegen illegaler Tauschbörsennutzung erhalten haben, Post von der Rhein Inkasso und Forderungsmanagement GmbH. Diese fordert zur Zahlung von bislang nicht ausgeglichenen Schadenersatzforderungen aus den besagten Abmahnungen auf.
Von der Filesharing-Abmahnung zum Inkasso-Schreiben
Es liegt den Forderungsschreiben in allen Angelegenheiten der nachfolgend kurz dargestellte Verlauf zu Grunde: ein Anschlussinhaber wurde vor einigen Jahren wegen angeblich illegalen Filesharings über seinen Internetanschluss abgemahnt und sollte sodann eine Unterlassungserklärung abgeben sowie außerdem eine Zahlung leisten, die sich aus den angefallenen Kosten der Rechtsverfolgung (z.B. Anwaltskosten) und Schadenersatz zusammensetzte. In vielen dieser Angelegenheiten wurde zwar von den betroffenen Personen eine Unterlassungserklärung abgegeben, die Zahlungsansprüche wurden aber häufig zurückgewiesen oder schlicht ignoriert.
Zum damaligen Zeitpunkt war insoweit umstritten, innerhalb welches Zeitraums die geltend gemachten Zahlungsansprüche verjähren würden. Ein großer Teil der Rechtsprechung ging damals davon aus, dass die regelmäßige Verjährungsfrist von 3 Jahren greifen würde, so dass die Forderungen aus Abmahnungen aus dem Jahr 2012 zum 31.12.2015, solche aus dem Jahr 2013 zum 31.12.2016 verjährt wären.
Zwischenzeitlich hat der BGH (Urteil vom 12.05.2016, I ZR 48/15) allerdings entschieden, dass zumindest der nach der Lizenzanalogie geltend gemachte Schadenersatz erst nach 10 Jahren verjährt, so dass nun ein Teil der Ansprüche (Abmahnkosten und Unterlassung) zwar nach 3 Jahren verjährt, für den reinen Schadenersatzanspruch indessen eine deutlich längere Frist gilt, innerhalb dieser geltend gemacht werden kann.
Vor diesem Hintergrund erklären sich auch die Forderungen, die nunmehr durch die Rhein Inkasso und Forderungsmanagement GmbH geltend gemacht werden: in allen Schreiben geht es ausschließlich um Schadenersatzansprüche.
Es mag Zufall sein, allerdings beziehen sich nach derzeitiger Kenntnis alle Vorgänge, in denen die Rhein Inkasso und Forderungsmanagement GmbH momentan tätig wird, auf Abmahnfälle, die ursprünglich von der FAREDS Rechtsanwaltsgesellschaft mbH aus Hamburg bearbeitet worden sind. In den hier vorgelegten Schreiben waren Auftraggeber der Kanzlei jeweils entweder die Malibu Media LLC oder die Echo Alpha Inc dba EA Productions, die insbesondere in den Jahren 2012 und 2013 mit einer Vielzahl von Porno-Abmahnungen bekannt geworden sind.
Soweit es von hieraus beurteilt werden kann, sind die Angelegenheiten zu einem großen Teil durch die Rechtsanwaltskanzlei nicht weiterverfolgt worden. Nun tritt mit der Rhein Inkasso und Forderungsmanagement GmbH ein weiterer Beteiligter hinzu und es werden wie erläutert sehr viele Altfälle wieder aus der Versenkung geholt.
Wie sollte auf das Schreiben eines Inkassobüros reagiert werden?
Die aus rechtlicher Sicht richtige Reaktion ist selbstverständlich davon abhängig, ob der geltend gemachte Zahlungsanspruch sowohl dem Grund als auch der Höhe nach berechtigterweise eingefordert wird.
Diese Frage kann grundsätzlich nur anhand einer (kostenpflichtigen) Beratung im Einzelfall durch einen fachkundigen Rechtsanwalt erfolgen; wer indessen (auch ohne Beratung und auf eigenes Risiko) der Meinung ist, dass die Forderung zu Unrecht erhoben wird, der sollte dieser schlicht und einfach widersprechen.
Es genügt insoweit, eine kurze Musterformulierung zu verwenden:
„Sehr geehrte Damen und Herren,
ich nehme Bezug auf Ihr Schreiben vom […] mit dem Aktenzeichen […].
Ich bestreite Grund und Höhe der Forderung und weise diese ausdrücklich zurück.
Mit freundlichen Grüßen,
Unterschrift“
Selbstverständlich wäre es möglich, die Zurückweisung der Forderung umfangreich zu begründen. Allerdings zeigt die Erfahrung, dass Inkassobüros schon aufgrund der Anzahl der bearbeiteten Fälle auf Einzelfallbegründungen nicht eingehen (können), sondern einem Standard-Ablauf folgen. Mit anderen Worten: rechtliche Diskussionen mit egal welchem Inkassobüro sind im Regelfall nicht zielführend. Zum anderen muss auch ausdrücklich festgehalten werden, dass die meisten juristischen Laien vermutlich auch selbst nicht die richtigen Argumente formulieren können, um die Forderung zuverlässig abzuwehren.
Wenn der Forderung wie dargestellt widersprochen worden ist, so ist zunächst einmal alles Notwendige getan. Ohne gerichtlichen Titel (z.B. Vollstreckungsbescheid oder Urteil) kann die Forderung nicht zwangsweise durchgesetzt werden, und zwar egal, wie hartnäckig das Forderungsschreiben eines Inkassobüros auch formuliert sein mag. Es ist im Übrigen auch nicht notwendig, jedem Erinnerungsschreiben erneut zu widersprechen: es reicht, wenn die Forderung einmal zurückgewiesen wird.
Wie geht es weiter?
Diese Frage kann natürlich erst einmal nur derjenige beantworten, der die Forderung geltend macht. Denn nach dem Widerspruch muss er sich überlegen, ob er ein gerichtliches Verfahren anstrengen (d.h. entweder einen Mahnbescheid beantragen oder eine Klage einreichen möchte), oder ob er die Angelegenheit auf sich beruhen lassen will.
Aus den Erfahrungen der Vergangenheit lässt sich insoweit ohne Zurückhaltung mitteilen, dass tatsächlich sehr viele Angelegenheiten irgendwann im Sande verlaufen. Denn nach wie vor scheuen viele Rechteinhaber den Gang vor Gericht und werden daher weder einen Mahnbescheid beantragen noch eine Klage einreichen. Ob das nun im Einzelfall gilt oder nicht, kann naturgemäß nicht vorhergesagt werden; worauf Betroffene sich aber immer einstellen müssen: solange die Forderung nicht ausgeglichen ist, kann der Gegner weiterhin zur Zahlung auffordern oder eben ein gerichtliches Verfahren anstrengen.
Betreffend die Rhein Inkasso und Forderungsmanagement GmbH sind uns z.B. auch Verfahren bekannt geworden, in denen nach einer zurückweisenden Reaktion auf das Inkassoschreiben ein Mahnbescheid beantragt wurde. Die Rhein Inkasso und Forderungsmanagement GmbH hat insoweit den Rechtsanwalt Oliver Edelmaier aus Mannheim beauftragt, der den Antrag für die Rhein Inkasso und Forderungsmanagement GmbH stellt. Auffällig war dabei bislang noch ein weiterer Punkt: in denjenigen Fällen, in denen ein Mahnbescheid beantragt worden ist, war aus dem Mahnbescheid zu ersehen, dass die Forderung angeblich von der Rhein Inkasso und Forderungsmanagement GmbH erworben worden ist, mithin ab dem Mahnverfahren im eigenen Namen geltend gemacht wurde.
Sofern ein Mahnbescheid zugestellt wird (oder erst Recht, wenn eine Klage zugestellt wird), muss der betroffene Anschlussinhaber selbstverständlich reagieren. Ab der förmlichen Zustellung laufen Fristen, die in jedem Fall eingehalten werden müssen, wenn eine Gegenwehr gegen die Forderung gewünscht ist. Im Falle des Erhalts eines Mahnbescheids geht es verkürzt ausgedrückt darum, die Widerspruchsfrist einzuhalten, im Falle der Zustellung einer Klage sollte in jedem Fall unverzüglich ein Rechtsanwalt kontaktiert werden.
Inkassoschreiben statt Klage nach Filesharing-Abmahnung: was ist davon eigentlich zu halten?
Ungeachtet der rechtlichen Hintergründe empfinde ich persönlich es als einigermaßen ungewöhnlich, wenn zunächst eine Abmahnung durch eine Rechtsanwaltskanzlei ausgesprochen wird, offen gebliebene Zahlungsforderungen dann aber nicht im gerichtlichen Verfahren geltend gemacht werden, sondern die Angelegenheit ab einem bestimmten Zeitpunkt von einem Inkassobüro weiterbearbeitet wird.
An sich macht das nur in sehr wenig Fällen überhaupt Sinn, und selbst in diesen Fällen nur bedingt: man könnte hier an solche Fälle denken, in denen das Vertrauensverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant (im Falle einer Abmahnung: dem Rechteinhaber) zerstört ist und daher das Mandatsverhältnis beendet wird, so dass der Rechteinhaber nun einen neuen Partner benötigt, der seine Ansprüche durchsetzt. Denkbar wäre auch, das Geschäft dann auf ein Inkassobüro auszulagern, wenn es um die massenhafte Durchsetzung von Forderungen geht, bei denen mit keinerlei Gegenwehr zu rechnen ist. Gerade letzteres halte ich aber aus meiner Erfahrung in Filesharing-Angelegenheiten für ausgeschlossen.
Nicht für sehr klug halte ich auch, dass Angelegenheiten erst viele Jahre später nach ihrem Entstehen weiterbearbeitet werden, denn zumindest ein Teil der Ansprüche (Abmahnkosten) ist in jedem Fall bereits verjährt. An sich ist es doch recht ungewöhnlich, dass es hingenommen wird, dass ein großer Teil der Ansprüche einfach aufgrund des Zeitablaufs verloren gegangen ist. Wenn ich als Rechtsanwalt aufgrund der Sachverhaltsprüfung überzeugt bin, dass mein Mandant Inhaber einer Forderung ist, dann rate ich meinem Mandanten auch an, diese nach Ablauf von gesetzten Fristen einer gerichtlichen Prüfung unterziehen zu lassen, sprich: eine Klage einzureichen. Einen Grund, eine Angelegenheit über viele Jahre zu bearbeiten und dies regelmäßig nur dergestalt zu tun, ab und an mal ein Erinnerungsschreiben betreffend die offene Forderung zu senden, ist meiner Einschätzung nach nicht zielführend.
Grundsätzlich muss man sich auch verdeutlichen, dass ein Verlauf wie der oben dargestellte Verlauf aus Kostensicht keinen Sinn ergibt, und zwar insbesondere dann nicht, wenn tatsächlich die Gebühren abgerechnet werden, die in den Jahren 2012 und 2013 als Abmahnkosten geltend gemacht wurden.
Zum damaligen Zeitpunkt war es noch möglich, dass schon die Abmahnkosten, die für den Ausspruch der Abmahnung angefallen waren, Beträge in Höhe von vielen hundert Euro erreichen konnten. Bei den Abmahnkosten handelt es sich insoweit um den Betrag, den der Abmahner zunächst einmal an seinen eigenen Rechtsanwalt bezahlen muss und den er bei einer berechtigten Abmahnung von dem Anschlussinhaber erstattet verlangen konnte. Da die Streitwerte im Urheberrecht erfahrungsgemäß schnell 10.000,- Euro oder mehr erreichen, war es nicht unüblich, dass in den Abmahnschreiben alleine der Anteil der beanspruchten Rechtsanwaltskosten rund 650,- Euro ohne Mehrwertsteuer betragen hat.
Gegenüber dem abgemahnten Anschlussinhaber wurden aber die Anwaltskosten zuzüglich eines geschätzten Lizenzschadens beansprucht, oft wurde dabei insgesamt ein pauschaler Abgeltungsbetrag angeboten, der sich zwischen ca. 650,- Euro und 750,- Euro bewegte. Mit anderen Worten: lediglich ein kleiner Bruchteil der ursprünglichen Forderung entfiel tatsächlich auf den Schadenersatz.
Überlegt man sich nun, dass natürlich auch das Inkassobüro für seine Tätigkeit bezahlt werden will (und hierbei die Gebühren nach § 4 Abs. 5 RDGEG nur bis zur Höhe der einem Rechtsanwalt nach den Vorschriften des RVG zustehenden Vergütung erstattungsfähig sind, mit anderen Worten: genau so hoch wie beim Rechtsanwalt sind), so werden alleine durch den Wechsel von einer Rechtsanwaltskanzlei zu einem Inkassobüro unnötige Kosten auf Seiten des Rechteinhabers produziert. Aber auch ein Inkassobüro, dass die Forderung tatsächlich erwirbt und in eigenem Namen geltend macht, muss spätestens im gerichtlichen Verfahren mit Kosten (u.a. für das Gericht oder eigene/ gegnerische Rechtsanwälte) rechnen.
Wirtschaftlich betrachtet macht ein solches Vorgehen meiner Meinung nach nur dann Sinn, wenn die ursprünglichen Abmahnungen nicht Kosten nach dem Gegenstandswert ausgelöst haben, sondern wenn bereits damals auf Grundlage von (bis heute unbekannt/ unbewiesen gebliebenen) Gebührenvereinbarungen zwischen Rechteinhaber und Rechtsanwalt abgerechnet wurde.
So nachvollziehbar dieses Argument im Übrigen aus wirtschaftlicher Sicht sein mag, vor Gericht läuft der Vortrag hinsichtlich Gebührenvereinbarungen zwischen dem Abmahner und seinem Rechtsanwalt regelmäßig nicht auf eine hohe Erfolgsaussicht in der Verteidigung hinaus, da der beklagte Anschlussinhaber insoweit beweisbelastet ist.
Die obigen Überlegungen sind ohnehin mehr theoretischer Natur, denn in den aktuellen Schreiben geht es zumindest den Angaben nach so oder so nicht mehr um die Abmahnkosten, sondern den Schadenersatz. Umso mehr ist dann aber festzuhalten, dass ein Ablauf wie der oben beschriebene (Abmahnung durch Rechtsanwaltskanzlei – weitere Forderungsbeitreibung durch ein Inkassobüro) zumindest einen faden Beigeschmack hinterlässt – insbesondere, wenn nun mit Inkassoschreiben teilweise Schadenersatzsummen gefordert werden, die höher als die pauschalen Abgeltungsbeträge aus der Abmahnung sind. Auch das kann man zwar mit der Lizenzanalogie erklären (salopp gesagt: der Schadenersatz im Filesharing wird Pi mal Daumen geschätzt und beansprucht), trotzdem wird man das Gefühl nicht los, dass teilweise einfach nur mit „Wunschbeträgen“ gearbeitet wird bzw. wurde.