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OLG Hamm: Zum Einsichtsrecht von Zivilgerichten in Akten über Kartellordnungswidrigkeiten
Der 1. Strafsenat des OLG Hamm hat mit Beschluss vom 26.11.2013, Az.: 1 VAs 116/13 – 120/13 und 122/13 entschieden, dass Akten der Staatsanwaltschaft, welche in einem Kartellordnungswidrigkeitsverfahren angelegt wurden, einem Zivilgericht im Wege der Akteneinsicht zugänglich zu machen sind. Dies gilt auch dann, wenn die Aussage über den Kartellverstoß aufgrund der sog. Kronzeugenregelung zustande kam.
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Mehrere Baufirmen gerieten in Verdacht, wettbewerbswidrige Preisabsprachen untereinander getroffen zu haben. Bevor das Bundeskartellamt Ermittlungen aufgenommen hatte, entschied sich eine der unter Verdacht stehenden Baufirmen von der im Kartellrecht bekannten Kronzeugenregelung Gebrauch zu machen. Ziel der Baufirma war es, die vom Kartellamt zu erwartende Geldbuße zu reduzieren (sog. Bonus der Kronzeugenregelung). Bei der Kronzeugenregelung gilt das sog. Windhund-Prinzip, d.h. der erste Teilnehmer der an einer Kartellabsprache Beteiligten erhält immer einen Bußgelderlass, vorausgesetzt er kooperiert uneingeschränkt mit dem Bundeskartellamt. Außerdem wird dem Aussagenden im Rahmen der Kronzeugenregelung die Vertraulichkeit der geschäftlichen Informationen zugesichert.
Nachdem das Bundeskartellamt eine Geldbuße von 250 Millionen Euro verhängt hatte, nahmen mehrere Mitbewerber die am Kartell beteiligten Baufirmen vor dem Landgericht Berlin auf Schadensersatz in Anspruch. Das Landgericht Berlin forderte schließlich die Akten aus dem Kartellordnungswidrigkeitsverfahren bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf zur Einsicht an, vgl. §§ 474 ff. StPO. Dies hatten die Kläger beantragt, da es ihnen auf anderem Wege nicht möglich sei, die illegalen Kartellabsprachen der Beklagten zu beweisen. Der beantragten Akteneinsicht haben die Beklagten (Mitglieder des Kartells) widersprochen, da eine Einsicht nicht mit der Kronzeugenregelung im Kartellrecht vereinbar sei. Hintergrund hierfür ist, dass bei der Kronzeugenregelung den Aussagenden zugesichert wird, die erlangten Informationen vertraulich zu behandeln. Durch eine Akteneinsichtnahme würde der Grundsatz der Vertraulichkeit aber unterlaufen. Nachdem die Staatsanwaltschaft Düsseldorf zu erkennen gab, dass sie dem Gesuch auf Akteneinsicht des LG Berlin nachkommen wolle, stellten die Mitglieder des Kartells einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung, um die Akteneinsicht doch noch zu verhindern. Der 1. Strafsenat des OLG Hamm hat den Antrag zurückgewiesen. Als Zivilgericht könne das Landgericht Berlin um die Akteneinsicht ersuchen, die nach der gesetzlichen Bestimmung in der Regel zu gewähren sei. Im Unterschied zum Akteneinsichtsgesuch einer Partei unterliege das für Zwecke der Rechtspflege gestellte Akteneinsichtsgesuch einer Justizbehörde weniger strengen Regeln. Die Prüfung, ob die Kenntnis des Akteninhalts für die anfordernde Stelle erforderlich sei, obliege dabei der anfordernden und nicht der ersuchten Stelle. Die aktenführende Staatsanwaltschaft prüfe lediglich, ob das Übermittlungsersuchen im Rahmen der Aufgaben des Empfängers liege, was im vorliegenden Fall zu bejahen sei. Weitergehende Nachforschungen habe sie als ersuchte Behörde grundsätzlich nicht anzustellen. Demgegenüber habe das Landgericht Berlin nach Übersendung der Akten in eigener Verantwortung zu prüfen, inwieweit die durch die Akteneinsicht erlangten Daten im Zivilprozess unter Berücksichtigung schützenswerter Interessen der dort verklagten Kartellrechtsmitglieder zu verwenden seien.
Eine weitergehende Prüfungspflicht der Staatsanwaltschaft habe auch nicht aufgrund eines besonderen Anlasses bestanden. Ein solcher Anlass ergebe sich vorliegend auch nicht vor dem Hintergrund, dass den Mitgliedern des Kartells bei ihrer Aussage die besondere Vertraulichkeit der erlangten Informationen zugesichert wurde. Zwar müsse berücksichtigt werden, dass die Aussagen im Rahmen der sog. Kronzeugenregelung gemacht wurden, dies rechtfertige es aber nicht, die Akteneinsicht zu versagen. Die in den Kronzeugenanträgen herausgegebenen Informationen stellten letztendlich nichts anderes dar, als eine selbstbelastende Einlassung.
Das Recht auf Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen sowie auf informationelle Selbstbestimmung stehe einer Einsichtnahme durch das Zivilgericht nicht entgegen, da diese Rechtspositionen nahezu bei jeder Akteneinsicht betroffen seien. Im Übrigen stellten Tatsachen, aus denen sich ein Kartellverstoß ergebe, keine Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse dar, die schützenswert seien, so die Richter am OLG Hamm.