Alle paar Monate ist es nötig, auf die Behandlung von Anrufen mit unterdrückter Rufnummer in…
Schon wieder: Abmahnung wegen Google Fonts, diesmal durch die Meur-Media Datenschutz
Vor kurzem hatte ich in unserem Blog von zwei größeren Abmahnwellen aufgrund der Nutzung von Google Fonts auf Internetseiten berichtet und insoweit Beitrag mit einer Handlungsanweisung für Betroffene veröffentlicht:
Handlungsanleitung nach einer Abmahnung wegen Google Fonts – Datenschutz
Abmahnungen wegen der dynamischen Einbindung von Google Fonts werden aber natürlich auch durch andere „Geschädigte“ ausgesprochen, die angespornt durch die Entscheidung des LG München I, Urteil vom 20.01.2022, Az. 3 O 17493/20, nunmehr glauben, verschiedene Ansprüche – in erster Schadenersatzansprüche nach Art. 82 DSGVO – an Webseitenbetreiber richten zu müssen.
Heute ist mir ein weiteres solches Abmahnschreiben vorgelegt worden, das der ersten Wertung nach eine Vielzahl von Fragen aufwirft. Es stammt von der Meur Media Datenschutzgemeinschaft aus 74921 Helmstadt-Bargen, die in dem Schreiben formuliert:
„Sehr geehrte Damen und Herren
ich zeige an, dass ich mich zur Wahrnehmung der Interessen unseres Mitglieds an Sie wende. (….)“
Dieser substanzlosen Mitteilung, dass „ein Mitglied“ vertreten werde, folgen sodann recht umfangreiche, wie so oft aber rechtlich sehr oberflächlich gehaltene und in Teilen auch noch falsche Rechtserläuterungen, die wie üblich damit schließen, dass u.a. Unterlassungsansprüche sowie Schadenersatzansprüche bestehen würden. Dem Schreiben liegt dann auch eine vorformulierte Unterlassungserklärung bei (die schon deswegen völlig sinnfrei ist, weil als Unterlassungsgläubigerin die Meur-Media Datenschutz genannt wird, die aber gar keine eigenen Unterlassungsansprüche geltend macht, sondern eben für „ein Mitglied“ tätig wird). Außerdem ist auch gleich noch eine „Rechnung“ beigefügt, mit der 159,00 Euro als „Zahlung gemäß Art. 82 DSGVO“ gefordert werden. Eine Vollmacht ist nicht beigefügt.
Befasst man sich näher mit dem Schreiben der Meur-Media, dann dürfte das erste Fazit tendenziell lauten, dass die hier behaupteten Ansprüche von Betroffenen keinesfalls erfüllt werden sollten. Ohne hier im Detail auf alle Punkte eingehen zu wollen, die in dem Schreiben trotz scheinbarer Transparenz auffallen, sollen insbesondere die vorliegenden Punkte kurz angesprochen sein:
Die bloße Mitteilung, dass Ansprüche „für ein Mitglied“ geltend gemacht werden, ist rechtlich an sich unbeachtlich. Es fehlt an einer Mitteilung, wer genau hier Ansprüche stellt und ob es das besagte Mitglied überhaupt gibt. Allenfalls kann aus der beigefügten Rechnung abgeleitet werden, für wen die Ansprüche erhoben sein sollen. Ob das wirklich so ist? Man weiß es nicht, denn:
Dem Schreiben liegt keinerlei Vollmacht bei. Das ist mit Blick auf die erhobenen Ansprüche durchaus kritisch zu hinterfragen, insbesondere, wenn nicht einmal in nachvollziehbarer Form mitgeteilt wird, für wen diese Ansprüche geltend gemacht werden sollen.
In dem Schreiben wird ein Auskunftsanspruch geltend gemacht. Alleine aufgrund der Geltendmachung dieses Ausspruchs ist – sofern er nicht in eigenem Namen geltend gemacht wird – zwingend die Vorlage einer Vollmacht notwendig, vgl. z.B. AG Berlin-Mitte, Urteil vom 29.07.2019, Az. 7 C 185/18.
Die beigefügte Unterlassungserklärung geht erheblich darüber hinaus, was im Falle des behaupteten Datenschutzverstoßes gefordert werden kann. Gleichzeitig wird nicht einmal der korrekte Unterlassungsgläubiger benannt.
In dem Schreiben wird hinsichtlich des Schadenersatzanspruchs wie folgt formuliert:
„Weiterhin steht unserem Mitglied laut Landgericht München I 3. Zivilkammer: Urteil vom 20.01.2022 Az. 3 O 17493/20 ein Schadensersatzanspruch zu diesen lege ich auf vergleichsweise niedrige 159 € fest, um u.a. die entstandenen Kosten zu decken. Eine entsprechende Rechnung, die wir im Auftrag unseres Mitglieds zur Wahrung der Anonymität aufgesetzt haben, ist beigefügt und für den Zahlungseingang auf das Konto unseres Mitglieds ist eine Frist von einer Woche festgesetzt.“
Diese Formulierung ist inhaltlich so falsch und sinnfrei, dass man als Rechtsanwalt erst einmal schmunzeln muss. Die Entscheidung des LG München I ist nicht rechtskräftig und gilt ausschließlich für die an dem Verfahren beteiligten Parteien. Der Schadenersatz kann auch nicht einfach festgesetzt werden, sondern es muss dieser selbstverständlich belegt werden. Geradezu an Satire grenzt es, wenn die Anonymität des Mitglieds gewahrt werden soll, aber sodann eine Rechnung beigefügt ist, die zu einer Zahlung auf das Konto des hier namentlich benannten Mitglieds führen soll.
Für selbsternannte Datenschutzexperten ist das vorliegende Abmahnschreiben jedenfalls recht dürftig. Die Meur-Media Datenschutzgemeinschaft ist uns in unserer anwaltlichen Beratungspraxis bislang nicht bekannt gewesen; da man sich aber um scheinbare Transparenz bemüht und gar dazu auffordert, weitere Informationen auf der Internetseite des Unternehmens einzuholen, sind wir dem natürlich gerne nachgekommen.
So gibt es eine Internetpräsenz, die unter der Adresse https://www.meur-media.com/ abrufbar ist, und die mit Hinweisen auf einen Rechtsmissbrauch der vorliegenden Abmahnung nur so um sich wirft. Bereits der auf der Startseite veröffentlichte Fragenkatalog wirkt auf einen mit der Bearbeitung von Abmahnungen erfahrenen Rechtsanwalt so, als ob jemand sich hier jemand erst einmal so gar nicht mit dem Thema Abmahnungen und Rechtsmissbrauch befasst hat. Unter anderem findet sich dort die folgende Frage mitsamt zugehöriger Antwort:
„Wie viele Abmahnungen versendet Ihr?
Wie oben erwähnt sind wir keine Massenabmahner, die mit Bots arbeiten, diese versenden täglich mehrere Tausend Abmahnungen, teilweise sind diese unbegründet. Als Tipp: Sollte eine Abmahnung nicht gerechtfertigt sein, so habt ihr das Recht einer Feststellungsklage, ob dies lohnenswert ist, sollte mit eurem Rechtsbeistand erörtert werden.
Wir versenden täglich eine Handvoll Abmahnungen, weit entfernt von tausenden.“
Auch der Versand von „nur“ täglich einer Handvoll Abmahnungen würde dazu führen, dass in einer Woche bereits bis zu 35 Abmahnungen verschickt werden. Die Schwelle, wann ein Rechtsmissbrauch anzunehmen sein kann, liegt nach der Rechtsprechung darunter.
Unser Rat an Betroffene: die hier geltend gemachten Ansprüche sollten keinesfalls erfüllt werden. Aufgrund des Umstands, dass vorliegend auch Unterlassungsansprüche geltend gemacht werden, kann es sinnvoll sein, sich hier zunächst einmal durch einen Rechtsanwalt beraten zu lassen. Nach dem derzeitigen Kenntnisstand jedenfalls scheint es sehr angebracht, die erhobenen Ansprüche eher zurückweisen zu lassen oder gar zum Gegenangriff überzugehen; eine Unterlassungserklärung abzugeben oder Zahlungen zu leisten, dürfte derzeit eher die mit Abstand schlechteste Option sein.
Wir sind jedenfalls gespannt, ob sich weitere Abmahnungen der Meur-Media Datenschutzgemeinschaft ansammeln werden.